Es kann gut sein, dass ich dieses Jahr arg sentimental bin.
Und es kann gut sein, dass das nicht für alle nachvollziehbar ist.
Im Jahr 2014 erhielt ich mit 32 Jahren die Diagnose Triple-negatives Mamma-CA. Für alle, die hoffentlich mit dem Thema so gar nichts anfangen können: Brustkrebs, Scheiße hoch drei.
Dass ich 42 werde, davon bin ich vor 10 Jahren nicht ausgegangen.
Ich zähle offiziell zu den Langzeitüberlebenden.
Wie ist das, wenn man mit 32 das komplette Programm durchlaufen muss?
Chemotherapie, eine beidseitige hautsparende Mastektomie, Bestrahlung, Eierstockentnahme, viele OPs für den Brustaufbau und eine Hormontherapie. (Für alle „Insider“: Der Tumor enthielt 11 % Hormone, was ihn zu „Nicht-Fisch-nicht-Fleisch“ machte, und man riet mir zu Tamoxifen.)
Was macht das mit dem Körper, der Seele, der Partnerschaft, mit einem selbst?
Nun ja, streng genommen habe ich diese Erfahrungen in neun Büchern festgehalten, denn sie hatten viele Auswirkungen, die sich größtenteils erst Jahre später zeigten.
Von meinen drei größten „Learnings“ (schreckliches Wort!) möchte ich hier gerne berichten.
Innere Haltung
Ich glaube, sie ist entscheidend. Und das nicht nur, wenn so eine schwere Erkrankung in dein Leben tritt. Bis zu diesem Tag im Juni 2014 war ich von einer wundervollen Naivität geprägt. Trotz der Tatsache, dass zwei Jahre zuvor die Diagnose Hautkrebs gestellt wurde. Positiv ausgedrückt ist es ein tiefes Urvertrauen, das mich begleitet hat, negativer betrachtet eine gewisse Erwartungshaltung ans Leben. Ich bin montags wirklich davon ausgegangen, dass ich freitags wieder unbeschwert ins Wochenende starten kann.
Das ist heute anders.
Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht glücklich und dankbar bin, wenn keine Katastrophe eingetreten ist und meine Lieben und ich gesund und munter in den Tag starten und abends genauso wieder im Bett liegen.
Mein wohl am häufigsten zitierter Satz „Ich besteige die Berge, dann wenn sie da sind und nicht, wenn sie mal irgendwann kommen könnten“ hat genau diesen Ursprung.
Was ich beruflich daraus gelernt habe
Diese innere Haltung spiegelt sich in all meinen beruflichen Themen wider: von der Schlagfertigkeit, über Resilienz, Glück, Kommunikation, das Laufen, bis hin zur inneren Triebkraft.
Hier tauchen für mich gleich mehrere Fragen auf, die in allen Themen mehr oder weniger relevant sind:
Was kann ich ändern und was nicht?
Was habe ich schon dafür getan, dass es besser wird?
Wo ist mein Hebel?
Was will ich?
Meine Haltung ist also im Privaten für mich ebenso wichtig, wie wenn ich auf der Bühne stehe oder als Trainerin unterwegs bin. Vielleicht macht mir diese Art der Authentizität mein Arbeitspensum so leicht.
Wasserpegelstand
Was die Diagnose vor 10 Jahren auch bewirkt hat, ist eine Art Wasserpegel-Höchststand. Dieses Bild fiel mir ein, als ich in meiner Wahlheimat – der Eifel – neulich wieder eine Flutmarkierung sah. Sie kennzeichnete an einer Hauswand den Stand der furchtbar hohen Flut aus dem Jahr 2021 mit vielen Toten und Verletzten.
Wenn ein erneutes Hochwasser droht, hört man oft in den Nachrichten: „Der Pegel von 2021 wird voraussichtlich nicht erreicht.“
Für mich bedeutet das übersetzt: Bis hierhin weißt du, was zu tun ist, denn du hast das schon einmal erlebt. Deine Resilienz kommt bis hierhin damit zurecht. Du kennst sogar Maßnahmen, die du ergreifen kannst, um das Schlimmste zu verhindern. Das bedeutet nicht, dass du nicht sauer bist, wenn der Keller wieder nass wird und die Möbel erneut hinüber sind, aber du weißt: Ich kann das überleben.
Dieses Bild kam mir ganz persönlich in den Sinn, als meine Mutter vor wenigen Tagen die Diagnose Brustkrebs bekam.
Natürlich wurde geweint und kurz auch mal gehadert, aber tief in uns wissen wir: Wir können das tragen. Nicht alleine. Mit vielen Profis und Freunden an unserer Seite, für die wir sehr dankbar sind. Und mit einer eigenen inneren Haltung, die uns das tiefe Urvertrauen gibt und flüstert: Alles wird gut. Nein: Alles ist gut!